Titelbild: Leon Gurvitch/Edvin Revazov
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Der eine, Leon Gurvitch ist Pianist, Dirigent und Komponist, der nicht wenige, internationale Erfolge aufzuweisen hat, so gab er in New York gerade Solokonzerte. Der andere, Edvin Revazov ist seit vielen Jahren Erster Solist am Hamburg Ballett, wo John Neumeier viele Rollen für ihn kreierte, wie zum Beispiel vor mehr als 20 Jahren den Jungen Tadzio in Neumeiers Ballett „Der Tod in Venedig“. Vor wenigen Wochen brillierte er im selben Werk in der Partie des alternden Gustav von Aschenbach.

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Revazov, der auch künstlerischer Leiter und Choreograf des Hamburger Kammerballetts ist, kreierte unter anderem das Werk „Kintsugi“, das im vergangenem Jahr im Rahmen eines Ballettabend Uraufführung im Theater Kiel hatte und bereits auch an anderen Orten aufgeführt wurde. Gurvitch, der die Musik zu „Kintsugi“ komponierte, begleitet die Tänzerbei jeder Vorstellung live am Klavier. Bei der Release-Vorstellung von Leon Gurvitchs CD Musique Melancholique tanzte im Gegenzug das Hamburger Kammerballett zu den inspirierenden, unter die Hautgehenden Melodien.
Auch bei anderen Gelegenheiten unterstütze sozusagen die Kunst des einen, oft die Kunst des anderen, nun findet diese wunderbare Zusammenarbeit einen Höhepunkt. Denn am 16.5. findet nicht wie bisher im Kleinen Saal ,sondern erstmalig im Großen Saal der Elbphilharmonie ein gemeinsames Konzert vom Hamburger Kammerballett und dem Leon Gurvitch Ensemble statt. Zu Aufführung kommen zwei Choreografien von Edvin Revazov zu der Musik von Leon Gurvitch. Zum einen natürlich „Kintsugi“ und dann auch „Silentium“, jenes Werk, dass, wie sicher bereits erwähnt, mir die Türen zu den Werken Gurvitchs öffnete. Hier nun beatworten beide Künstler Operngestalten Fragen zu Werken, Zusammenarbeit und natürlich den bevorstehenden Abend.

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Operngestalten (OR): Zuerst zu Ihnen, Herr Revazov: Die japanische Kunst Kintsugi, spielt mit Rissen und deren kunstvolle Reparatur. Was möchten Sie ausdrücken? Geht es auch Ihnen um bestimmte Brüche/Risse?
Edwin Revazo: (ER) Im Kern geht es bei „Kintsugi“ um menschliche Gefühle und Beziehungen. Das Ballett spiegelt unseren aktuellen gesellschaftlichen Trend wider, bei dem wir oft Dinge wegwerfen, um neu zu beginnen. Wir neigen dazu, alles hinter uns zu lassen und einen Neuanfang zu suchen. Ich wollte eine Parallele zwischen der Philosophie des Kintsugi – das Reparieren und das Hervorheben von Schönheit – und der Art und Weise ziehen, wie wir unsere Interaktionen gestalten. Manchmal sollten wir nach einem Konflikt alte Beziehungen nicht einfach aufgeben; stattdessen sollten wir uns auf die Heilung und Reparatur dieser Beziehungen konzentrieren.
OG: Das Herr Revazov, ist eine Aussage, die ich auch auf das wahre Leben bezogen ohne Zögern unterschreibe. Herr Gurvitch, wie stehen Sie zu der Entstehung und Bedeutung von Kintsugi und ihrer Komposition?
Leon Gurvitch (LG): Das Ballett Kintsugi entstand durch unsere intensive Zusammenarbeit. Edvin Revazov hörte meine Musik zum ersten Mal bei einem Konzert in der Elbphilharmonie, bei dem ich meinen Klavierzyklus Melancholique präsentierte. Aus dieser Musik heraus entwickelte Edvin die Choreografie für das Ballett. Zusätzlich habe ich auf seinen Wunsch hin einige neue Stücke dafür komponiert, darunter Female Dance (Weiblicher Tanz).
Der Titel Kintsugi wurde erst später von Edvin gewählt, inspiriert von japanischen Begriffen. Das Werk ist zerbrechlich, melancholisch und gleichzeitig voller Gefühl. Ich selbst spiele während der Aufführung live auf der Bühne – das Klavier ist dabei ein zentraler Bestandteil des Balletts. Edvin hat meine Musik auf wunderbare Weise in Tanz übersetzt, und alles wird mit einem poetischen deutschen Text verbunde

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OG: Gerne hätte ich von Ihnen beiden ein paar Worte ihrer Zusammenarbeit und zu dem neuen Ballett, Silentium. Spielt die Entstehungszeit (Pandemie) des orchestralen Werkes auch in der Choreografie eine Rolle?
ER: Das Ballett „Silentium“ trägt seinen Namen nach Leons musikalischer Komposition und befindet sich derzeit in der Entwicklung. Es wird tiefgreifend von Leons schöner Musik inspiriert sein. Was die Zusammenarbeit mit Leon so besonders macht – insbesondere für diese Kreation – ist, dass das „Ballett – Silentium“ Musik haben wird, die speziell für die Aufführung in der Elbphilharmonie arrangiert wurde. Es ist ganz einzigartig, eine so vertrauensvolle Beziehung zu dem Komponisten auf diesem hohen Niveau zu haben, die es uns ermöglicht, gemeinsam zu kreieren. Die Choreografie wird auch meine emotionale Reaktion auf die Musik und den Kontext der Ursprünge des Hamburg Chamber Ballet widerspiegeln, die in den Erfahrungen des Krieges verwurzelt sind. So wie die Hamburger Kammerballettgesellschaft trägt es auch eine Botschaft der Hoffnung: Aus etwas so Tragischem wie dem Krieg kann Schönheit entstehen, während wir eine neue Gruppe von Künstlern bilden, die sich der Schaffung von Schönheit und Verbindungen zwischen den Menschen in Hamburg widmet.

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LG: Das Werk Silentium für Klavier und Streichorchester entstand zwischen 2020 und 2022 – in einer Zeit, die von der Pandemie und dem Beginn des Krieges in der Ukraine geprägt war. Diese Ereignisse haben meine Musik tief beeinflusst, sodass ich förmlich dazu gedrängt wurde, diese Klänge zu Papier zu bringen.
Die Uraufführung fand schließlich in der Elbphilharmonie statt, gespielt von ukrainischen und deutschen Musikern. Während dieser Zeit war ich bereits im Gespräch mit Edwin Revazov, der Silentium hörte und daraus die Idee entwickelte, ein neues Ballett auf dieser Musik zu erschaffen.
Nun ist es endlich soweit: Am 16. Mai feiern wir im Großen Saal der Elbphilharmonie die Weltpremiere dieses besonderen Balletts – präsentiert von Edvin Revazovs Kompanie, dem Hamburger Kammerballett. Diese Kompanie hat sich inzwischen als fester Bestandteil der Hamburger Musik- und Ballettszene etabliert. Besonders berührend ist, dass großartige Tänzerinnen und Tänzer mitwirken, die aufgrund des Krieges aus der Ukraine nach Deutschland fliehen mussten.
Silentium ist ein Werk voller emotionaler Tiefe – nicht nur für diejenigen, die Krieg und Verlust am eigenen Leib erfahren haben, sondern auch für alle, die in den vergangenen drei Jahren auf schmerzliche Weise begreifen mussten, was diese Realität bedeutet.

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OG: Eine weitere, letzte Frage: Welche Gefühle löst es in Ihnen beiden aus gemeinsam im Großen Saal der Elbphilharmonie aufzutreten, also neben Freude, die ich einfach voraussetze? Aufregung? Gesteigerte Selbstkritik? Vielleicht gibt es sogar einen anderen Blick auf die Werke?
ER: Der große Saal der Elbphilharmonie ist zweifellos eine bedeutende Bühne. Jedes Veranstaltungsort hat seine eigene einzigartige Energie, und das Ballett in einem so ungewöhnlichen Rahmen mit Live-Musik des Leo Gurvitch Ensembles aufzuführen, ist eine aufregende Gelegenheit. Diese Aufführung ist ein großer Moment für uns, und während es natürlich ist, ein wenig nervös zu sein, wenn wir unsere neue Arbeit mit einem größeren Publikum teilen, bin ich überwiegend aufgeregt! Unser Ziel ist es, eine Aufführung zu schaffen, die mit jedem resoniert, letztlich etwas Bedeutungsvolles und Schönes zu teilen, und wir können es kaum erwarten, dass dieser Tag kommt!
LG: Unsere langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Edvin Revazov und dem Hamburger Kammerballett erreicht in diesem Jahr einen neuen Höhepunkt. Gemeinsam haben wir bereits zahlreiche Projekte realisiert, darunter das Ballett Kinzugi, das 2024 mit großem Erfolg im Theater Kiel aufgeführt wurde und dort elf Vorstellungen erlebte. Anschließend brachten wir Kinzugi in Hamburg auf die Bühne – im LichtwarkTheater mit mehreren Vorstellungen. In diesem Jahr wird die Produktion als Gastspiel im Theater Lübeck präsentiert, wo ich erneut als Pianist die Kompanie bei der Erstaufführung live begleiten werde.

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Vor diesem Hintergrund unserer intensiven Zusammenarbeit steht nun ein ganz besonderes Ereignis bevor: Am 16. Mai 2025 feiern wir im Großen Saal der Elbphilharmonie die mit Spannung erwartete Weltpremiere von Silentium. Dieses Konzert markiert einen Meilenstein in unserer künstlerischen Partnerschaft und ist zugleich ein emotionaler Moment, auf den wir uns mit großer Freude und tiefem Respekt vorbereiten.
Die Aufführung von Silentium ist weit mehr als ein musikalisches Ereignis – sie ist Ausdruck unserer gemeinsamen Vision, Kunst als Brücke zwischen Kulturen, Erfahrungen und Emotionen zu nutzen.
Die Vorfreude und Aufregung auf dieses besondere Ereignis sind kaum in Worte zu fassen. Es ist ein großer Unterschied, Silentium allein als Musikwerk zu spielen oder es gemeinsam mit Tänzern auf der Bühne zu erleben. Wenn ich mit dem Orchester spiele und sehe, wie die Tänzer jede Nuance der Musik fühlen, ihre Bewegungen in Gesten übersetzen und wir als Einheit verschmelzen, entsteht eine einzigartige Magie. Wir ergänzen uns gegenseitig – wie ein gemeinsamer Körper, in dem Musik und Tanz eins werden.
Auch der Ort macht diese Aufführung besonders. Ein Ballett in der Elbphilharmonie zu erleben, ist eine Seltenheit – die außergewöhnliche Architektur des Großen Saals stellt eine ganz eigene Herausforderung dar und macht diese Produktion umso einzigartiger. Die Atmosphäre dieses weltberühmten Konzerthauses verleiht Silentium eine zusätzliche emotionale Tiefe, die sowohl für die Künstler als auch für das Publikum spürbar sein wird.

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Mit jeder Probe steigt die Spannung – und die Hoffnung, dass auch das Publikum diese intensiven Gefühle mit uns teilt. Die Zuschauer werden die Magie von Silentium auf der Bühne erleben und in die Verschmelzung von Musik und Tanz als Einheit eintauchen.
Wir laden herzlich dazu ein, dieses einmalige Ereignis in der Elbphilharmonie zu erleben – ein Abend, der Musik, Tanz und die bewegenden Geschichten unserer Zeit auf eindrucksvolle Weise vereint.
OG: Ich danke Ihnen beiden herzlichst für Ihre Antworten, die meine Neugier und Vorfreude seigerten! Da ich es auf russisch nicht kann, ein herzliches toitoitoi auf italienische Art: Inbocca al lupo!!!
Birgit Kleinfeld, Ende März 2025
https://leon-gurvitch.com
https://www.hamburger-kammerballett.de
https://www.hamburgballett.de/getPersonalInfo.php?p=NDg3OQ-8
Link zu Resttickets:
Fr. 16.05.2025, 20:00h – Elbphilharmonie, Großer Saal, Hamburger Kammerballett / Leon Gurvitch Ensemble, »Kintsugi« und »Silentium« – Ballette von Edvin Revazov / Leon Gurvitch: Komposition, Klavier & musikalische Leitung
https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/hamburger-kammerballett-leon-gurvitch-ensemble/23635