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Staatsoper Hamburg – Il Trovatore: 2. „Ach, des Troubadour Gesang!“

Titelbild: Kristina Stanek/PhotoCredits: Brinkhoff-Mögenburg

Giuseppe Verdis Il Trovatore hatte am 7. April die letzte Vorstellung der ersten Aufführungsserie an der Staatsoper Hamburg und kommt erst in einem Jahr in neuer Besetzung wieder. Doch, nachdem ich im ersten Teil dieser Rezension ausführlich über meine Gedanken, Beobachtungen und Eindrücke der Inszenierung von Immo Karaman und Team schrieb, geht es heute um die, die das Live-Erlebnis Oper erst möglich machen: die Sänger*innen und Musiker*innen auf Bühne und im Orchestergraben.

Alexander Rosvalets (Mitte), Herrenchor der Hamburgischen Staatsoper
PhotoCredits: Brinkhoff-Mögenburg

„Prima la musica“ vs. Musiktheater

Wir Opernliebhaber sind schon ein besonderes Völkchen. Warum? Naja, nicht selten fiebern wir der Neuproduktion einer Oper entgegen, nur um ihr dann, gerne auch einmal lauthals vor Ort, das Etikett „an der Musik vorbei inszeniert“ zu verabreichen. Die Sänger dann beurteilen wir oft allein nach ihrem Gesang und verpacken dies mit Vorliebe als „Wissen“, statt als „Meinung“ oder „Geschmack.“ Viele betonen oder begründen dies mit „prima la musica“, der vorrangigen Stellung der Musik. Aber in Szene gesetzte Oper ist und bleibt (für mich) Musiktheater und allein bei konzertanten Aufführungen steht die Musik etwas im Vordergrund. Und ist es selbst da nicht berührender, wenn ein Sänger oder eine Sängerin bewusst auf die Reinheit eines Tones verzichtet um einer tiefen Emotion Ausdruck zu verleihen? Ich finde schon und bevorzuge Sängerdarsteller’innen, statt perfekter Techniker.

Von „neuen“ Gästen und „alten“ Ensemblemitgliedern

Bei Il Trovatore an der Staatsoper Hamburg gaben alle Beteiligte in allen Bereichen und durchweg mit Erfolg ihr Bestes. Maestro Leonardo Sini und das Philharmonische Staatsorchester Hamburg sorgten durch ihre Interpretation für eine effektreiche Dynamik, die vom ersten Moment an in den Bann von Verdis Musik und dem Geschehen auf der Bühne zog, die jeweils ausgedrückte Stimmung verdeutlichend. Auch die, in vielen Szenen beanspruchte, Komparserie der Staatsoper Hamburg und der Chor der Hamburgischen Staatsoper, überzeugten auf allen Ebenen, sei es in den „Slowmotion“- Erinnerungsszenen oder allen anderen.

Kristina Stanek, Chor der Hamburgischen Staatsoper
PhotoCredits: Brinkhoff-Mögenburg

Tenor Aaron Godfrey-Mayes (Ruiz) und Sopranistin Olivia Boen (Inez) bewiesen auch an diesem Abend, welch hervorragende Mitglieder das Internationale Opernstudio Hamburg (IOSHH) stets hat. Wie schön, dass der eine noch ein weiteres Jahr IOSHH vor sich, die andere bleibt dem Haus zumindest als Gast erhalten.

Er ist seit 2016/17 festes Ensemblemitglied der Staatsoper Hamburg und einer von jenen, die ein Beweis dafür sind, dass namhafte Gäste, zwar immer etwas ganz Besonderes sind, aber wir nie aufhören sollten, Ensemblemitglieder zumindest ebenso wertzuschätzen: Alexander Roslavets. Sein Ferrando ist das, was ich immer gerne mit „herrlich widerlich“ umschreibe. Allein die Art wie er einem Dienstmädchen Rauch ins Gesicht bläst oder die gesamte Oper über seinen Dienstherrn Luna, ähnlich wie Jago Othello, zu manipulieren scheint, ist bemerkenswert. Schon in der Auftrittsszene „Di due figli vivea padre beato“ begeistert Rosvalets. Mit seinem wunderbar wandelbaren, ausdrucksvollen Bass vermittelt er uns geradezu bildhaft durch Stimmmodulation die Grauen der lange zurückliegenden Verbrennung einer vermeintlichen Hexe. Nicht ohne einen Hauch Boshaftigkeit, was gut zu der Partie passt.

Luna (Aleksei Isaev) und Ferrando (Alexander Rosvalets) ganz harmonisch!
PhotoCredits: Eugenie/AlexanderRosvalets

Auch Mezzosopranistin Kristina Stanek, die am 3.4. in der Rolle der Azucena debütierte, ist fest an der hiesigen Oper angestellt. Eine ihrer Kolleginnen bemerkte mir gegenüber, wie schwer es sei, mit einem deutschklingenden Namen in großen Städten für hochdramatische Partien wie Eboli in Verdis Don Carlos oder eben als Azucena. Stanek strafte dieses Vorurteil, mit ihrem mehr als gelungenem Debüt, Lügen. Bei Karaman ist Azucena fast omnipräsent, doch ob stumm im Bühnenhintergrund, an der Seite oder vom obersten Treppenabsatz aus oder dramatisch agierend, stets ist Staneks starke Bühnenpräsenz spürbar und in jeder Hinsicht mitreißend überzeugend. Man glaubt ihr die an Erinnerungen leidende, doch ihren Ziehsohn Manrico liebende Mutter, mit jeder Geste, jedem Ton. In ihrer Anfangszeit hatte ihr ungewöhnliches Timbre eine leicht befremdliche Wirkung auf mich, die ich jetzt nicht mehr erklären kann. Heute weiß ich die Vielfarbigkeit ihres Mezzos als etwas sehr Besonderes zu schätzen.

Zum Teil liegt es sicher auch bei Gwyn Hughes Jones an meiner Vorliebe für einen eher strahlenden, kraftvollen Klang bei einem Tenor, dass mein Titel „Ach, des Troubadour Gesang!“ auf ihn persönlich bezogen, einen melancholisch, ja enttäuschten Beigeschmack hat. Denn er wirkte auf mich, zumindest an diesem Abend, überfordert und konnte mich nur mit Manricos Arie aus dem dritten Akt: „Ah! sì, ben mio, coll’essere“, die der berühmten Stretta „Di quella pira l’orrendo foco“ vorausgeht, vollständig überzeugen.

Alexei Isaev, Guanqun Yu, Gwyn Hughes Jones,
FotoCredits: Brinkhoff Mögenburg

Bariton Aleksei Isaev gab als Graf Luna sein Hausdebüt an der Staatsoper Hamburg und es bleibt zu hoffen, dass es nicht sein letzter Besuch hier war. Sein Bariton hat zwar nicht jene Weichheit im Klang, die mir persönlich bei dem unglücklich liebenden Luna immer so wichtig ist, aber dennoch lässt er uns mitfühlen. Sein Bariton ist sicher geführt und kann Bilder malen, die zu dem hier sehr exzentrisch wahnhaften Luna wunderbar passen. Es geht unter die Haut, wenn er sich an dem Missbrauch des Dienstmädchens inbrünstig wütend beteiligt oder Leonoras große Szene im vierten Akt, speisend, auf bissige Weise dirigierend, begleitet. Mein Prädikat „herrlich widerlich“ ist hier nicht ganz passend. „Verzweifelt widerlich“, trifft es eher.

Sopranistin Guanqun Yu faszinierte das Hamburger Publikum bereits al Liu in Turandot und als Micaela in Carmen, zwei sehr zarten lyrischen Rollen. Ihre Leonora überrascht daher umso mehr im positivsten Sinne, denn auch im dramatischen Fach weiß sie Ihre Stimme gekonnt wunderbar zu nutzen und in Szene zu setzen. Auch darstellerisch nutzt sie augenscheinlich jede Ausdrucksmöglichkeit, die ihr zur Verfügung steht, bzw. die Karaman von ihr erwartete. Als Beispiel möge die Vehemenz dienen, mit der sie im ersten Akt, den Pelz von sich schleudert, um zu verdeutlichen, wie wenig ihr Wohlstand im Gegensatz zu Manrico bedeutet. Oder auch ihr Versuch, die Schergen der Inquisition zu überzeugen, das hochschwangere, einst vergewaltigte Dienstmädchen wieder freizulassen. Es gibt noch viele weitere Beispiele für ihre Kunst Gesang und Spiel zu einem berührend, beeindruckendem Ganzen zu machen.

Fazit: Mir gefiel das Musiktheaterstück Il Trovatore sehr und ich bin gespannt auf die nächste Serie unter anderem auch weil eine Besetzungsänderung manchmal auch eine andere Sicht auf die gesamte Produktion ermöglicht. Und genau das macht Live-Oper doch so spannend!

Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch 3.4.2024

Link:

https://www.staatsoper-hamburg.de

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