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Elbphilharmonie: Utopia/ Currentzis „The greatest Showman“

Titelbild: Teodor Currentis/Utopia in der Elbphilharmonie
PhotoCredits: Daniel_Dittus

Der Titel mag irreführend herablassend klingen, doch er ist Teodor Currentzis und dem Utopia Orchestra voller Respekt für einen faszinierenden Künstler und all die Vollblutmusiker von Utopia gegeben. Immer wieder gelingt es Currentzis sein Publikum in den Bann zu ziehen. So auch in der Berliner Philharmonie und im Rahmen des Hamburger Musikfestes in der Elbphilharmonie mit Anton Bruckners 9. Sinfonie.

Woran das liegt? Er verbindet die jedem Künstler (auch Schreibenden) auf die eine oder andere Art und Weise eigene Liebe zur Selbstdarstellung nicht mit leerem Blendertum, sondern Charisma und vor allem mit musikalischem Können und Mut zu besonderen, extremen Interpretationen, ohne die Werke zu verfremden. Er inszeniert sich, die Musik, die Aufführung an sich – und vielleicht sogar uns, das Publikum auf wunderbar mitreißende, stets authentisch überzeugende Weise. Es gelingt ihm, dass wir vollkommen still lauschen und auch nach dem Ende, solange schweigen, bis seine Musiker langsam die Instrumente oder Geigenbögen senken, er selbst sich bewegt und uns so aus dem Bann von Bruckners dramatisch schönen Klängen entlässt.

Teodor Currentzis, Elbphilharmonie
PhotoCredits: Daniel Dittus

Schönklang in Berlin und

Dank der Konzertdirektion Adler besuchte Elisabeth Semorad für operngestalten.de Aufführung von Anton Bruckners Sinfonie No. 9 in der Berliner Philharmonie. Hier nun, ganz unbearbeitet, um die Authentizität zu erhalten, ihre fast im Telegrammstil gehaltenen, aber dennoch oder gerade deshalb emotional geschilderten Eindrücke:
Teodor Curretnzis mit seinem Utopia Orchestra nahm uns mit, auf eine inspirierende, musikalisch sowie intellektuelle Bruckner Symphonie Nr 9 d-moll -Reise , in der ausverkauften Philharmonie Berlin. Schönklang sondergleichen erreichte Currentzis der Perfektionist und wunderbare Performer mit seinem Utopia Orchestra: großartigen Soli der Musiker. Eine kraftvolle Klangeinheit, berührend und zweifelnd im Adagio ein tragendes feierliches Hochamt, komponiert für Gott. Glückselig der Dirigent und sein Orchester, Minuten der absoluten Stille, bis orkanartiger Jubel / Bravo/ Standing Ovation aufbrandete.“

Die Frreude nach dem Konzert in Berlin
Alle Rechte: Oksana Gekk/Utopia

…Drama pur in Hamburg

Laut meines Lehrers im Musikleistungskurs „hört man den Werken von Anton Bruckner an, dass er gerne auf Kirchtürme gestiegen sein soll“. Das passt, wie auch seine zahlreichen geistlichen Werke, vielleicht zu der nie vollständig belegten Vermutung, er habe diese, seine letzte Sinfonie, Gott gewidmet. Schon bei den ersten Takten, fast lautlos beginnend, dann sich immer mehr Feierlich Geheimnisvoll (Mistorioso) in Spannung und Lautstärke steigernd, kam mir der Satz aus meiner Jugend in den Sinn. Denn das Utopia Orchestra und Currentzis treiben besonders das mistorioso auf die Spitze, steigern so die Erwartung auf das, was noch kommt. Und dann sind wir im übertragenen Sinne „oben“ angekommen, lassen uns von wilden Fortissimo-Rhythmen überwältigen und bleiben in dieser Faszination der Klänge, die nicht selten etwas Ekstatisches haben. Dann folgen kurze Momente der Ruhe, des Begreifens, bis uns Forte und Fortissimo wieder mitreißen. Nicht auf die romantisch fantasievolle Art, wie zum Beispiel Berlioz‘ Sinfonie Fantastique, sondern wirklich feierlich, geheimnisvoll ergreifend.

Teodor Currentzis, Elbphilharmonie
PhotoCredits: Daniel Dittus

Der Beginn des zweiten Satzes dann, wenn die Celli wie ein Echo auf die gezupften Töne der Violinen antworten, lässt lächeln ob der kurzfristig eintretenden Leichtigkeit, Fröhlichkeit des mit Scherzo, Bewegt, Lebhaft überschriebenen zweiten Satzes. Doch schnell wird es eine dramatische Lebhaftigkeit, hat auch die Bewegtheit etwas Tieferes als reine Freude. Currentzis gelingt es, mithilfe seiner Musiker sein Publikum, ohne es zu gängeln, an die Wirkung der Musik zu binden, schenkt uns durch sie und seine Interpretation eine Vielfalt an Emotionen und inneren Bildern.
Allein die nur nach dem ersten Satz, mit verhaltenem Husten hier und da, begleitenden Momente zwischen den Sätzen, erlauben dem Publikum eine kurze, wenn auch gar nicht so willkommene Erholung von Drama und Faszination.

Teodor Currentzis, Elbphilharmonie
PhotoCredits: Daniel Dittus

Auch zum dritten Satz, überschrieben mit Adagio, Langsam, Feierlich passt, zumindest bei dieser Aufführung, der Satz meines Lehrers und Bruckners vermeintliche Widmung an Gott wunderbar. Die Ergriffenheit und auch Ehrfurcht und vielleicht Dankbarkeit über den imaginären Blick von der Spitze eines Turmes ist hör- und spürbar. Wahrscheinlich wäre die Stille nach dem letzten verklungenen Ton nicht so erhaben und lang gewesen, hätte Currentzis nicht eine gefühlte Minute lang verharrt. Dieses Verharren am Ende, ist nur wie das berühmte I-Tüpfelchen all dessen, was Currentzis ausmacht und womit er uns sanft zwingt, in uns hineinzuhören, das Erlebte nachklingen zu lassen und nicht sofort zu jubeln: Seine fast tänzerischen Arm-, Hand- und Fingerbewegungen, seine lebendige Mimik und vielleicht auch seine Exzentrik, zumindest hier in Hamburg, seine Kleidung betreffend.

Ja, er ist ein Showman, der den langen und vielseitigen Jubel genießt, aber dabei wirkt er nie arrogant, sondern herzlich Publikum und Kollegen gegenüber. Oh, ich weiß, er polarisiert aus den verschiedensten, nicht nur aus auf seinen Beruf bezogenen Gründen. Doch ich persönlich glaube ihm, was er im obigen, auf Englisch geführten, Interview sagte: „Ich glaube Musik ist die Energie, die die Möglichkeit hat, Menschen zu verbinden.“ („I think, music is the incredible energy that has an opportunity to connect people.“).

Birgit Kleinfeld (Vorstellungsbesuch 18.5.2024)

Links
http://www.teodor-currentzis.com/index.php/utopia-orchestra

/https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/utopia-teodor-currentzis/21074

https://www.musikadler.de

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